Erntezeit

Im Zen sprechen wir immer wieder von den Früchten, die wir durch die Praxis ernten, im französischen: les mérites.

Wir säen durch unsere disziplinierte Anstrengung, tägliches ZaZen (Meditation im Sitzen) kleine Pflänzchen, die irgendwann zur Blüte kommen.

Entscheidend ist, daß wir nicht "für" diese Ernte praktizieren, sondern absichtslos bleiben, ohne Ziel.

Es gibt nichts zu erreichen, nichts zu gewinnen, nichts zu behalten.

An diesem Punkt hören viele Menschen auf, bzw. fangen gar nicht erst an. Theoretisch klingt das gut: Absichtslosigkeit. Das zieht manch Suchenden an.

  • Nur in letzter praktischer Konsequenz zu sehen: "Ja, ich bekomme wirklich keinerlei Anerkennung für die Mühen, kann mir nichts dafür kaufen, werde nicht mal gelobt, gehe weiterhin durch Schmerzen, Leiden, Krankheit und Tod." Tja. Wofür soll diese buddhistische Praxis dann gut sein?

Sie ist Desillusionierung, sie hebt den Vorhang unserer Vorstellungen. Das ist die Essenz. Nichts ist, wie es scheint. Das Leben endet, ob wir wollen oder nicht, bestückt mit Leiden und Freude, hoch und runter, immer wieder dieser Kreislauf: Samsara.

Was die Praxis bewirkt ist einen anderen Umgang mit den Erscheinungen zu bekommen, etwas Abstand zu sich selbst zu gewinnen, die Empfindungen und Gedanken zu beobachten: "Ha. Da sind sie wieder."Vorbeiziehen lassen, im Körper wahrnehmen, schmelzen, durchatmen, nicht bewegen, nicht daran haften und sich auf die Haltung konzentrieren, die Hände im Mudra an den Bauch heranziehen.

Das ist alles. Immer wieder: Gyoji. Wiederholung.

 

Woran können wir uns denn dann noch festhalten?

Das Leben ist und bleibt ein freier Fall. Je flexibler wir mit Situationen umgehen können, nicht immer reaktiv, im Gegenteil, desto ruhiger wird unser Geist. Das hat Auswirkungen auf unser direktes Umfeld, unsere Familie, Kinder, Freunde, Nachbarn.
Wie Meister Deshimaru sagte: "Wenn wir in ZaZen sitzen, berühren wir den ganzen Kosmos." Mit unserer Praxis, die nicht egoistisch ausgelegt ist oder damit es uns besser geht (s.o.), bringen wir Gutes in die Welt, Beruhigung, Überwindung der Dualität.

Aktueller denn je.

©christinastuckert